Pressemitteilung

Grußwort Kirchenpräsident Dr. Liagre

Landessynode 2006

  • Nr. Pressemitteilung T5/2006 - Es gilt das gesprochene Wort!
  • 9.1.2006
  • 6676 Zeichen

Grußwort von Dr. Guy Liagre, Kirchenpräsident der Vereinigten Protestantischen Kirche in Belgien (VPKB)



Liebe Brüder und Schwestern,


ich bringe Ihnen die Grüße der Vereinigten Protestantischen Kirche in Belgien. Ich möchte Ihnen herzlich danken für die Einladung zu dieser Tagung von die Synode. Sie erlaubt uns, einen besseren Blick auf die Weltkirche.


Die Vereinigte Protestantische Kirche in Belgien besteht seit dem vorigen Jahr 25 Jahre. Anlässlich dieses Ereignisses veröffentlichten wir ein Buch. Darin werden in einer 15teiligen Aufstellung mehrere wichtige Entwicklungen der letzten 25 Jahre aufgeführt. In Belgien bilden wir Protestanten eher eine kleine Minderheit. Doch wir können sagen, dass der Protestantismus in Belgien eine lange Geschichte hat.


Obwohl die Synode in ihrer heutigen Form als kirchlicher Organismus erst seit dem 25. April 1839 offiziell existiert, reichen ihre ältesten Gemeinden in die ruhmvolle Zeit der Reformation zurück, deren Anfänge tragisch beleuchtet werden durch die lodernden Scheiterhaufen der Inquisition anfangs des 16. Jahrhunderts. Hendrik Voss und Johannes Van Eschen, die zwei ersten Märtyrer, wurden am 1. Juli 1523 um des Evangeliums willen in Brüssel auf dem »Großen Platz« hingerichtet.


Damit begann für den belgischen Protestantismus ein mühsamer Leidensweg. Trotz Unterdrückung und allen Kümmernissen konnte sich die Bewegung jedoch behaupten. Als im Jahre 1830 die belgische Unabhängigkeit ausgerufen wurde, bestanden noch neun kleine Kirchengemeinden, welche sich nach ihrer Anerkennung durch die staatlichen Instanzen um 1839 zu einer Synode zusammenschlossen.



Im vergangenen Jahrhundert konnten die Protestanten es nur schwer fassen, dass sie in Belgien vollwertige Bürger mit allen Rechten waren. Zum Beispiel, als 1897 die Synode die Gelegenheit hatte, für den evangelischen Unterricht an den staatlichen Schulen einen Inspektor zu ernennen, sahen unsere Delegierten davon ab, in der Überzeugung klug und weise gehandelt zu haben, um so wenig Aufsehen wie möglich zu erregen und lieber im Hintergrund zu bleiben. Seither sind natürlich Fortschritte gemacht worden. 1946 errichtete und finanzierte der Staat ein Inspektorat und wir verfügen momentan über ein gut strukturiertes Inspektorenkorps, bestehend aus sieben Inspektoren, deren Aufgabe es ist, im ganzen Land 1301 Schulen zu besuchen.



Die Arbeit der Gefängnisgeistlichen in den Strafanstalten macht wesentliche Fortschritte, seit sechs Pfarrer (VPKB und andere Denominationen) hauptamtlich angestellt wurden, um sich den Gefangenen zu widmen, welche ihren geistlichen Beistand verlangen.



Es war der 4. November 1978, als die Deklaration der Vereinigung der verschiedenen Kirchen unterschrieben wurde. Sie trat am 1. Januar 1979 in Kraft. Aber welche Distanz zwischen einer Unterschrift auf einem Dokument und der Mühe, diese Deklaration zu einer Realität werden zu lassen! Man merkte, dass eine Einheit immer wieder aufs Neue verwirklicht werden musste. Unsere Kirche hat in ganz Belgien 110 Pfarrstellen und 50.000 Mitglieder. Ein Drittel davon lebt in Flandern und zwei Drittel leben in Wallonien. In Flandern gibt es nur Gemeinden in den Städten, in Wallonien auch in den kleineren Orten des dortigen Industriebeckens.



Wir sind uns bewusst, dass unsere Einheit in dieser Verschiedenheit nicht ein für allemal abgeschlossen ist. Als Beweis: einige Gemeinden sind in diesen 25 Jahren Mitglieder oder assoziierte Kirchen der VPKB geworden. Auf der anderen Seite zeigt der vor kurzem begonnene Dialog über die Reichhaltigkeiten und Grenzen des Pluralismus, wie verschieden und oft gefährdet unsere Einheit sein kann. Aber wir haben diese Piste gewählt und werden sie auch weiter verfolgen. Wir sind uns ebenfalls bewusst, dass – wie auf einem Weg die Landschaft sich ändern kann – aber das Ziel das Gleiche bleibt. Das Ziel ist die Botschaft Jesu Christi von der allumfassenden Liebe, die wir gestalten, und der wir Inhalt geben sollen. Wir sind uns darüber klar, dass der Protestantismus außerhalb der VPKB zahlenmässig genau so groß ist wie der innerhalb unserer VPKB.Wir tragen von nun ab gemeinsam mit der Föderalen Synode der evangelikalen Kirchen Belgiens die Verantwortung der Repräsentation und Verwaltung des protestantischen Gottesdienstes. Das heisst auf den Gebieten, die von den Behörden anerkannt werden. Das heisst: die Anerkennung einzelner Kirchengemeinden durch den Staat; Religionsunterricht an öffentlichen Schulen; Militär-, Gefängnis-, Krankenhaus- und Altenheimseelsorge. Ebenso Migrantenseelsorge und die Vergabe und Verwaltung der Protestantischen Rundfunk- und Fernsehsendezeiten. Einfach ist es für uns nicht, aber wir haben uns dazu verpflichtet.
Ja, auch die belgische Kirche stellt sich in Frage und wird in Frage gestellt. In diesem Fall darf sich die Kirche keinesfalls auf einen Dialog beschränken, sondern sie muss so konkret wie möglich auf diese Menschen eingehen. Unser Glaube wird zur „Demonstration“ der Verkündigung des Evangeliums, wenn Verkündigung einen Sinn haben soll. Daher muss die Kirche auch bereit sein, sich in Frage zu stellen, wenn ihr Handeln der heutigen Wirklichkeit nicht mehr entspricht. Sie muss sich umstrukturieren, sich erneuern. Sie wird schöpferisch. Die Kirche wird wieder Zeugin für das Handeln Gottes. Wenn die Kirche auf die anderen zugeht und auf deren Bedürfnisse eingeht, dann wird sie sich auch sehr schnell ihrer Ohnmacht und ihrer Schwäche bewusst. In dieser Situation wendet sie sich Gott zu und ruft ihn um seine Macht und Hilfe an.
So findet sie zu ihrer spirituellen Dimension zurück – jener Dimension, aus der Elia in der Geschichte von der Witwe von Zarpat seine Kraft schöpfte, oder Jesus am Grab des Lazarus oder Petrus oder Johannes, als sie dem Lahmen am Eingang zum Tempel begegneten. In der Fürbitte und in der geistlichen Auseinandersetzung findet die Kirche ihre spirituelle Energie wieder. Dies eröffnet ihr neue Horizonte, und so wird sie wieder der Ort der unerwarteten Antworten, der Wunder und des Handelns Gottes.
„Wir spielen keine große Rolle,aber wir sind bekannt“ Ja, die Kirche hat noch einen Platz in der Gesellschaft einzunehmen. Einen Platz, den nur sie ausfüllen kann, denn durch die Kirche will Christus reden und handeln, damit seine Liebe im Leben unserer Mitmenschen sichtbar wird und sich ausbreitet.