Pressemitteilung

Auf die ureigenen Aufgaben konzentrieren

Landessynode 2014

  • Nr. Die Grenzen bei der Arbeitsverdichtung sind erreicht, neue Denkanstöße sind gefragt: Oberkirchenrat Christoph Pistorius über Pfarrstellen, Pensionierungen von Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Nachwuchsmangel - ein Interview.
  • 13.12.2013
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Die Zahl der Pfarrstellen nimmt in den kommenden Jahren weiter ab, andererseits wirbt die rheinische Kirche verstärkt um theologischen Nachwuchs. Worauf hat sie sich einzustellen?

Die Evangelische Kirche im Rheinland steht bei der Besetzung von Pfarrstellen vor einer dramatischen Entwicklung. Die durch Pensionierung frei werdenden Stellen werden nicht mehr alle wiederbesetzt werden können, da derzeit pro Jahr nur rund 20 Theologinnen und Theologen ihre Ausbildung beenden. Ohne Gegenmaßnahmen werden ab 2030 noch rund 530 Pfarrstellen besetzt werden können. Ungeachtet der anstehenden Spardiskussion ist der mangelnde Nachwuchs der Grund für die angespannte Stellenlage.

Welche Folgen hat diese Entwicklung für die Arbeit der verbleibenden Pfarrerinnen und Pfarrer?

In den vergangenen Jahren hat der Abbau von Pfarrstellen häufig zu einer quantitativen Verdichtung der Arbeit geführt. Bei Kooperationen, Fusionen oder pfarramtlichen Verbindungen hielten viele Kirchengemeinden an ihren bisherigen Angeboten fest, verteilten sie nur auf weniger Schultern. Doch diese Praxis lässt sich nicht weiter fortsetzen, hier sind Grenzen längst überschritten. Neue Denkansätze sind gefragt.

Mit der Arbeitssituation der Pfarrerinnen und Pfarrer beschäftigt sich auch die Landessynode im Januar. Grundlage ist ein Beratungspapier mit dem Titel „Zeit für das Wesentliche“. Was ist das Wesentliche im Pfarrberuf?

Das ist die Kommunikation des Evangeliums. Das Beratungspapier benennt dazu fünf zentrale Aufgaben: Verkündigung, Seelsorge, Bildung, Diakonie und Leitung. Im Berufsalltag einer Pfarrerin oder eines Pfarrers nimmt aber auch die Verwaltung und Gremienarbeit breiten Raum ein, Tätigkeiten, bei denen zu fragen ist, was sie mit den fünf zentralen Aufgaben zu tun haben.

Wer entscheidet, welche Aufgaben Pfarrerinnen und Pfarrer übernehmen sollen?

Darüber wird ein Presbyterium mit seinen Pfarrerinnen und Pfarrern ins Gespräch kommen müssen. Bereits jetzt wird deren Arbeitsumfeld in Dienstanweisungen festgelegt. In der Praxis werden Dienstanweisungen in ihrer hilfreichen Bedeutung allerdings oft unterschätzt. Viele sind vor langer Zeit beschlossen worden und passen längst nicht mehr auf die aktuelle Situation der Gemeinde.

Pfarrerinnen und Pfarrern stehen in der Erwartung, ständig erreichbar zu sein. Kann eine Dienstanweisung daran etwas ändern?

Ja, weil sie ein strategisches Nachdenken und Planen voraussetzt: Wo will die Gemeinde hin und was können Pfarrerinnen und Pfarrer dafür leisten? Ein Presbyterium hat dabei mit den Ressourcen der Pfarrerinnen und Pfarrer – wie mit denen aller anderen Mitarbeitenden auch – sorgsam umzugehen. Dazu gehört, Pfarrerinnen und Pfarrer genügend Zeit etwa für die Vorbereitung eines Gottesdienstes einzuräumen oder Freiräume für die eigene Spiritualität auszuweisen.

Wie wird sich das Bild von Kirche verändern, wenn Pfarrerinnen und Pfarrer Zeit für das Wesentliche gewinnen sollen?

Es fällt vielen schwer, sich vorzustellen, wie man Gemeinde lebt ohne Pfarrerinnen und Pfarrer. Es ist schon kurios, dass eine Kirche, die seit der Reformation vom allgemeinen Priestertum aller Getauften lebt und Prädikantinnen und Prädikanten ordiniert, eine so pfarrerzentrierte Gestalt ausgebildet hat. Wir sollten dagegen wieder stärker darauf setzen, dass Gemeindemitglieder im Glauben sprachfähig werden, dass sie ein Gespür für Rituale gewinnen, stimmige Formen der Spiritualität finden und den Mut haben, das auch zu leben. Mich selbst haben beispielsweise Menschen geprägt, die ihren Glauben einfach gelebt haben und in ihrem Alltag authentisch waren. Sie haben mich neugierig gemacht zu erfahren, was sie in ihrem Leben trägt und hält.

Verlieren Pfarrerinnen und Pfarrer künftig an Bedeutung für die Kirche?

Nein, sie werden sich vielmehr hoffentlich wieder verstärkt auf ihre ureigenen Aufgaben konzentrieren können. Pfarrer zu sein, ist für mich immer noch der schönste Beruf, den ich mir denken kann. Und die Perspektiven für den Nachwuchs sind gut: Wer heute erfolgreich Theologie studiert, hat große Chancen, sich eine passende Stelle aussuchen zu können.