Pressemitteilung

Die Anerkennung weiter thematisieren

Israel und Palästina

  • Nr. Er bekommt an diesem Tag viel Anerkennung, der Beschluss der rheinischen Landessynode vom Beginn diesen Jahres, der die Anerkennung staatlicher Souveränität Palästinas fordert. Aber der Beschluss erntet nicht nur Zustimmung. In manchen Gesprächen auch außerhalb des Rheinlands gibt es Zurückhaltung und Kritik an dem Beschluss. 
  • 1.12.2016
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Auch das wurde deutlich beim Studientag „,Staat machen!?‘ – Auf dem Weg zur palästinensischen Eigenstaatlichkeit“, dem dritten des Netzwerks „Palästina – Israel – Rheinland (PIR)“. PIR vereint Menschen aus der rheinischen Kirche, die sich im Thema Israel-Palästina engagieren.

Gleichwertige Ebene nötig

Botschafterin Dr. Khouloud Daibes, Leiterin der Palästinensischen Mission in Berlin, Christin aus Bethlehem, Absolventin der einst von Kaiserswerther Diakonissen gegründeten Schule Talitha Kumi, Architektin, Denkmalschützerin und ehemalige Ministerin für Tourismus und Archäologie, hieß den Synodenbeschluss gut: „Ich gratuliere zu diesem Schritt.“

Sie erinnerte an die tiefe Asymmetrie zwischen den Konfliktparteien und betonte, der Konflikt müsse im Interesse aller gelöst werden. Gerade bei der Asymmetrie, so die Botschafterin, setze die notwendige Anerkennung Palästinas als Staat an, da sie das Spielfeld der Kräfte für diplomatische Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien auf gleichwertiger Ebene ansiedelt.

Daibes betonte, dass Palästina 1993 Israel anerkannt habe. Jetzt sei eine Anerkennung sowohl Israels als auch Palästinas durch die Staatengemeinschaft lange überfällig. Sonst verfestige sich in Israel und der Westbank die „Ein-Staaten-Realität“ mit Tendenz hin zu einer Apartheidsgesellschaft.

Botschafterin Daibes appellierte, sich auch von Kritik an dem Beschluss der rheinischen Synode nicht einschüchtern zu lassen. Sie sagte auch, die Bereitschaft der jungen Generation, Frieden zu schließen, nehme ab. „Das macht mir Angst.“ Dazu ergänzte sie, die jungen Menschen kennten sich nur noch als Gegner. Junge Palästinenser kennen Israelis oft nur von Checkpoints, an denen sie schikaniert werden, oder Siedler, die ihnen Land klauen. Daibes, selbst Mutter von drei Kindern: „Sie kennen sie nicht als Vater, Mutter…“ 

Friedenskräfte auf beiden Seiten unterstützen

„Schritte auf dem Weg zu Gerechtigkeit und Frieden in Israel und Palästina“ lautet der Titel des Synodenbeschlusses vom Januar 2016, der nun also an diesem PIR-Studientag in Bonn Thema war. Oberkirchenrätin Barbara Rudolph, Leiterin der Abteilung Theologie und Ökumene im Landeskirchenamt in Düsseldorf, erläuterte den Beschluss der Landessynode, dem obersten Entscheidungsgremium für die rheinische Kirche mit ihren rund 2,65 Millionen Mitgliedern.

Die Theologin erinnerte u.a. an den Synodalbeschluss von 1980 zur bleibenden Treue Gottes zu seinem Volk Israel und an die jüngsten vier christlich-jüdischen theologischen Workshops in Israel und Palästina. Dies alles gehört in den Zusammenhang des keineswegs antiisraelischen Beschlusses zur Initiierung eines neuerlichen Gesprächs über die notwendige Anerkennung Palästinas.

Bischof Dr. Munib Younan aus Jerusalem habe die rheinische Kirche bei diesem Beschluss ebenso unterstützt, „wie auch unsere jüdischen Gesprächspartner in Israel den Entschluss für richtig halten“, so Rudolph. Es gehe nicht um eine Alternative zwischen Pro Israel oder Pro Palästina, sondern um die Unterstützung der Friedenskräfte auf beiden Seiten.

Die Oberkirchenrätin beschrieb aber auch die holprige Aufnahme des Beschlusses im Raum der EKD – teils „irritiert“, teils „schwungvoll“ aber dann „abschmetternd“, teils ablehnend, aber ohne eine Alternative zu nennen, teils ablehnend, weil nicht weitgehend genug. Barbara Rudolphs Zwischenfazit: „Was ich jedenfalls nicht mehr akzeptiere, ist das Mantra, die Zwei-Staaten-Lösung sei unrealistisch geworden. Wir erinnern an geltendes Völkerrecht, das alle Seiten akzeptiert haben. Nicht mehr und nicht weniger. Keine andere Vision für Gerechtigkeit und Frieden in Israel und Palästina hat mehr Gewicht oder auch nur eine größere Wahrscheinlichkeit auf seiner Seite.“

Auch mit Symbolen wird Politik gemacht

Der Beschluss sei symbolisch, aber auch mit Symbolen werde Politik gemacht, gerade Außenpolitik, sagte Dr. René Wildangel, ehemaliger Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah. Der Konflikt sei hierzulande fast aus der politischen Agenda verschwunden, erklärte er in seinem Impulsreferat. Das lasse die Akteure vor Ort allein. Deswegen sei die Diskussion im Rheinland so wichtig. Und: „Deshalb ist Ihr Beschluss so wichtig.“

23 Jahre nach „Oslo“ sage niemand mehr Konstruktives zum Konflikt in Israel und Palästina, so Wildangel. Die staatliche Anerkennung Palästinas wäre hingegen ein entscheidender Schritt. Darüber müsse dringend wieder gesprochen werden und daraus müssten dann weitere Impulse folgen.

Der Historiker erinnerte u.a. an die palästinensische Nationalbewegung im 19. Jahrhundert, verschiedene Teilungspläne, die 1. und 2. Intifada, die Unabhängigkeitserklärung, den Oslo-Friedensprozess, den Mauerbau, die Trennung der fragmentierten Westbank und Gaza in verschiedene „Planeten“, die letzten Wahlen vor zehn Jahren und mangelnde politische Legitimation der palästinensischen Autorität, den Flickenteppich, der durch die Siedlungspolitik entstanden sei, das teilweise getrennte Straßensystem in der Westbank, die katastrophale humanitäre Lage in Gaza. Ohne einen lebensfähigen palästinensischen Staat werde die Region nicht zur Ruhe kommen, so Wildangel.

Problem der Handlungsfähigkeit

Der Beschluss sei „sehr symbolisch, aber mehr auch nicht“, erklärte bei der abschließenden Podiumsdiskussion Torsten Reibold, Repräsentant Europa von Givat Haviva, einer Begegnungsstätte in Israel für jüdisch-arabische Verständigung. Er fragte, was man mit solch einem Beschluss erreichen kann, wobei Reibold ausdrücklich sagte, dass er nicht gegen den Beschluss ist. Er fragte, welchen Staat man anerkennen wolle, Palästina sei zweigeteilt, auch politisch, kämpfe mit Korruption, feindseligen Einstellungen, fehlenden Bürgerrechten.

Hoffnung braucht Beispiele

Die Anerkennung Palästinas sei ein „heißes Eisen“, hatte zu Beginn des Studientages Ulrich Suppus gesagt, Sprecher des Netzwerks PIR und rheinischer Jugendbildungsreferent. „Für Hoffnung brauchen wir Beispiele“, erklärte er weiter. Suppus verwies auf den „Marsch der Hoffnung“, bei dem im Oktober tausende Frauen in Israel und Palästina unter dem Motto „Genug ist genug – Frauen wagen Frieden“ für einen Friedensplan demonstriert hatten. Konstruktive Gespräche statt Gräben: Ulrich Suppus unterstrich, dass das PIR-Netzwerk Menschen aus der rheinischen Kirche, die sich im Thema Israel und Palästina engagieren, in Dialog bringt.

Zivilgesellschaftliche Kräfte stärken

Was kann man tun, um den Weg zur Eigenständigkeit Palästinas zu fördern? Diese Frage trieb wiederholt die Referierenden, das Podium und alle Teilnehmenden an. „Unterstützen Sie alle, die sich für die Zwei-Staatlichkeit und eine würdevolles Leben sowohl von Palästinensern als auch Israelis einsetzen“, sagte Botschafterin Daibes. Torsten Reibold von Givat Haviva warb für die Stärkung der zivilgesellschaftlichen Kräfte auf beiden Seiten, für die Organisationen, die sich für Frieden, Verhandlungen, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einsetzen. Er ist überzeugt: „Friedenslösungen müssen von beiden Gesellschaften getragen werden.“

„Wir weigern uns Feinde zu sein“ – dieses Motto des „Tent of Nations“ stellte Dr. Rainer Stuhlmann vor, der in den vergangenen fünf Jahren als Studienleiter des von der rheinischen Kirche unterstützten Projekts Nes Ammim in Israel gelebt hat. Diese „Entfeindung“ trage der Asymmetrie des Konflikts Rechnung, erklärte der Theologe. Gegen ständige Schikanen der Besatzer falle die palästinensische Familie Nasser gewaltfrei „aus der Rolle“.

So auch die Teilnehmenden des Studientags, die „kontrovers aber konstruktiv“ diskutierten, wie der Landespfarrer für den christlich-jüdischen Dialog, Dr. Volker Haarmann, formuliert, „um der Menschen in Israel und Palästina Willen“.